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Kein Verfall von Urlaubsansprüchen bei Langzeitkranken

Der EuGH hat entschieden.

„Ist der AN aufgrund von Krankheit nicht in der Lage, seinen Urlaub innerhalb eines Kalenderjahres oder bis zum Ende des Übertragungszeitraumes im Folgejahr zu nehmen, besteht der Anspruch auf Urlaub weiter und erlischt nicht.“

Am 20.01.2009 entschied der EuGH eine Vorlagefrage des LAG Düsseldorf und bewirkte damit eine radikale Änderung des deutschen Urlaubsrechts.

Bisher war es so, dass der Urlaubsanspruch Langzeitkranker zum Jahresende bzw. wegen § 7 III BUrlG zum 31.03. des Folgejahres verfiel. Nach dem Urteil des EuGH soll dies nun nicht mehr der Fall sein.

Das BAG ist in seinem Urteil vom 24.03.2009 der Entscheidung des EuGH gefolgt und hat zudem keinen Vertrauensschutz für die Zeit nach Bekanntgabe des Vorlagebeschlusses des LAG Düsseldorf zum EuGH zugelassen. Vertrauensschutz gibt es also nur für Altfälle bis 02.08.2006.

Das ArbG Berlin hat in einem Urteil vom 22.04.2009 (nicht rechtskräftig) entscheiden, dass das Nichterlöschen nur für den gesetzlichen Mindesturlaub gilt und nicht für den (darüber hinausgehenden) tariflichen Urlaub oder Sonderurlaub. Dieser könne weiterhin verfallen.

Im Berliner Fall war eine schwerbehinderte Arbeitnehmerin wegen dauerhafter Erwerbsunfähigkeit aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und klagte auf Zahlung von Urlaubsabgeltung für die Jahre 2005, 2006 und anteilig 2007. Der Arbeitsvertrag verwies auf die Regelungen des BAT (heute TVöD), wonach ein jährlicher Urlaubsanspruch von 30 Tagen besteht. In ihrem Fall kamen noch 5 Tage Sonderurlaub für Schwerbehinderte hinzu (§ 125 SGB IX). Die Angestellte war seit August 2005 bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis arbeitsunfähig krank. Im Jahr 2005 hatte sie noch 20 Tage Urlaub genommen, es standen im Verfahren auf Abgeltung für 2005 also noch 15 Tage offen.

Insgesamt klagte sie für 2005 15 Tage, für 2006 35 Tage und für 2007 anteiligen Urlaub von 2 Tagen ein. Sie berief sich auf die erwähnte Rechtsprechung des EuGH und das BAG Urteil vom 24.03.2009.

Das ArbG Berlin gab ihr nur hinsichtlich der Abgeltung ihres gesetzlichen Mindesturlaubs Recht. Es hielt jedoch den Anspruch auf den tariflichen und gesetzlichen Sonderurlaub für verfallen!

Nach § 3 I BUrlG beträgt der gesetzliche Mindesturlaub 24 Werktage (bezogen auf die früher übliche 6-Tage-Woche), bei einer 5-Tage-Woche also 20 Tage im Jahr. Dieser Mindesturlaub ist auch in der EU-Richtlinie 2003/88/EG festgelegt und darf nach der neuen Rechtsprechung nicht verfallen, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub krankheitsbedingt nicht nehmen konnte.

Aus diesem Grund sprach das ArbG Berlin der Klägerin in seinem Urteil 20 Tage für 2006 und 2 Tage für 2007 zu. Da die Klägerin in 2005 vor ihrer Erkrankung bereits 20 Tage Urlaub genommen hatte, war nach Ansicht des ArbG Berlin der gesetzliche Mindesturlaub bereits erfüllt und musste damit nicht mehr abgegolten werden.

Das ArbG Berlin argumentierte ferner damit, dass der tarifliche (zusätzliche) Urlaub in Höhe von 10 Tagen im Jahr nicht auf der Grundlage des BUrlG bestand und auch nicht auf Grund der EU-Richtlinie 2003/88/EG, sondern aufgrund der Regelungen des BAT. Hier war zugleich eine eigene Verfallregelung enthalten, wonach Urlaubsansprüche grundsätzlich ab dem 01.07. des Folgejahres verfallen, wenn sie bis dahin nicht genommen wurden.

Nach Ansicht des ArbG Berlin gilt eine solche Verfallregelung weiter –auch für Langzeitkranke – da sie nicht den gesetzlichen Mindesturlaub schmälert, sondern nur eine ohnehin freiwillige Leistung. Die Arbeitgeber sind nicht dazu verpflichtet einen höheren Urlaubsanspruch zu gewähren, als der gesetzliche.

Das ArbG Berlin hatte hinsichtlich des zusätzlichen Urlaubs für Schwerbehinderte nach § 125 SGB XI ebenfalls das Argument, dass dieser nicht in der besagten EU-Richtlinie enthalten sei und daher nach § 7 III BUrlG verfalle, wenn er nicht genommen werde.

Es handelt sich hier also um ein sehr arbeitgeberfreundliches Urteil des ArbG Berlin. Es bleibt abzuwarten, ob die weiteren Instanzen diese Rechtsprechung bestätigen.

Das BAG hatte in seinem Urteil vom 24.03.2009 bereits abweichend geurteilt. Wenn durch Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag zwischen dem gesetzlichen und dem zusätzlichen (freiwilligen) Urlaub hinsichtlich seines Verfalls unterschieden werden, so muss dies ausdrücklich geregelt werden.

Auch hinsichtlich des Zusatzurlaubs für Schwerbehinderte ist dies nicht abschließend geklärt. Bereits das LAG Düsseldorf hat die Ansicht geäußert, die EuGH-Rechtsprechung gelte auch für den zusätzlichen gesetzlichen Urlaub nach § 125 SGB XI.

Wichtig:

Auch wenn diese Entscheidung versucht, die Folgen der EuGH-Rechtsprechung für Arbeitgeber so weit wie möglich abzumildern und nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub zu beziehen, bleibt die Rechtslage bis zu einer endgültigen Klärung durch das BAG weiterhin unklar und für Arbeitgeber weitestgehend unkalkulierbar.

Die Rechtsprechung des EuGH und des BAG führt dazu, dass Langzeitkranke, die bislang als „Karteileiche“ geführt wurden und unbehelligt ihren Arbeitsplatz behalten konnten, nunmehr schnellstmöglich gekündigt werden, um künftig drohende Forderungen zu vermeiden.